Hashimoto-Thyreoiditis: Warum spielt die Schilddrüse verrückt?
Die Schilddrüse ist klein, aber wichtig: Sie steuert unseren Stoffwechsel, beeinflusst Herzfrequenz, Körpertemperatur, Gewicht, Stimmung und vieles mehr. Doch was passiert, wenn genau dieses wichtige Organ plötzlich vom eigenen Immunsystem angegriffen wird?
Hashimoto-Thyreoiditis ist die häufigste Ursache für eine Schilddrüsenunterfunktion in Industrieländern. Die Autoimmunerkrankung betrifft vor allem Frauen und bleibt oft jahrelang unbemerkt – bis die Schilddrüse ihre Arbeit nicht mehr richtig verrichten kann. Betroffene fühlen sich müde, nehmen zu, frieren ständig oder kämpfen mit Konzentrationsstörungen.
In diesem umfassenden Artikel erfahren Sie alles, was Sie über Hashimoto wissen müssen – von den ersten Anzeichen bis hin zu Diagnostik, Therapie und Prognose.
- Hashimoto-Thyreoiditis: Warum spielt die Schilddrüse verrückt?
- Was ist Hashimoto-Thyreoiditis?
- Warum ist die Schilddrüse so wichtig?
- Wie entsteht Hashimoto?
- Welche Symptome deuten auf Hashimoto?
- Wann ist ärzliche Hilfe erforderlich?
- Wie wird Hashimoto diagnostiziert?
- Welche Behandlungsmethoden gibt es bei Hashimoto?
- Hausmittel: Was kann man zu Hause bei Hashimoto tun?
- Welche Prognose und mögliche Folgen bestehen bei Hashimoto?
- Quellen
Auf einen Blick
- Erkrankung: Hashimoto-Thyreoiditis ist eine chronische Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die Schilddrüse angreift und langfristig zerstört.
- Ursachen: Genetische Veranlagung, hormonelle Schwankungen, Umweltfaktoren und Stress.
- Symptome: Müdigkeit, Gewichtszunahme, Kälteempfindlichkeit, depressive Verstimmungen, Konzentrationsprobleme, Haarausfall und Verstopfung.
- Diagnose: Blutuntersuchungen (TSH, fT3, fT4, Antikörper) kombiniert mit bildgebenden Verfahren wie Ultraschall oder MRT.
- Behandlung: Dauerhafte Einnahme von Schilddrüsenhormonen (Levothyroxin) zur Kompensation der Unterfunktion.
- Verlauf: Hashimoto schreitet meist langsam fort. Mit der richtigen Behandlung sind Betroffene in der Lage, ein normales Leben zu führen.
- Komplikationen: Unbehandelt kann die Erkrankung zu Herz-Kreislauf-Problemen, Fruchtbarkeitsstörungen oder Kropfbildung führen.
Was ist Hashimoto-Thyreoiditis?
Die Hashimoto-Thyreoiditis ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Schilddrüse und gehört zur Gruppe der Autoimmunerkrankungen. Dabei richtet sich das körpereigene Immunsystem gegen das Schilddrüsengewebe und zerstört es nach und nach.
Das führt dazu, dass die Schilddrüse weniger Hormone produziert – mit weitreichenden Folgen für den gesamten Körper. Die Krankheit wurde 1912 von dem japanischen Arzt Hakaru Hashimoto erstmals beschrieben und ist seitdem weltweit bekannt.
Warum ist die Schilddrüse so wichtig?
Die Schilddrüse befindet sich an der Vorderseite des Halses und ist ein zentrales Steuerorgan des Stoffwechsels. Sie produziert die Hormone Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3), die Einfluss auf fast alle Körperfunktionen haben:
- Energiehaushalt und Stoffwechsel
- Herzfrequenz und Blutdruck
- Körpertemperatur
- Wachstum und Entwicklung
- Fruchtbarkeit und Stimmung
Wenn die Schilddrüse durch Hashimoto geschädigt wird, gerät dieses fein abgestimmte System aus dem Gleichgewicht.
Wie entsteht Hashimoto?
Die Ursachen der Hashimoto-Thyreoiditis sind noch nicht vollständig geklärt. Experten gehen von einer Kombination aus genetischen und umweltbedingten Faktoren aus.
Genetische Veranlagung
Studien zeigen, dass Hashimoto familiär gehäuft auftritt. Wer Verwandte mit Schilddrüsen- oder anderen Autoimmunerkrankungen hat (z.B. Typ-1-Diabetes, Zöliakie oder rheumatoide Arthritis), hat ein erhöhtes Risiko zu erkranken.
Hormonelle Einflüsse
Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer – etwa 8 von 10 Patienten sind weiblich. Der Grund liegt vermutlich in hormonellen Schwankungen, etwa während:
- Pubertät
- Schwangerschaft
- Wechseljahren
Auch nach der Geburt (postpartale Thyreoiditis) kann Hashimoto auftreten.
Umweltfaktoren
Verschiedene äußere Einflüsse können das Immunsystem aus dem Gleichgewicht bringen:
- Virusinfektionen (z.B. Epstein-Barr-Virus)
- Bakterielle Infekte
- Übermäßige Jodaufnahme (z.B. durch Nahrungsergänzungsmittel)
- Strahlenbelastung
- Rauchen und Alkoholkonsum
Psychische Belastungen
Langanhaltender Stress wird als Risikofaktor diskutiert. Stresshormone beeinflussen das Immunsystem und können Autoimmunprozesse fördern.
Welche Symptome deuten auf Hashimoto?
Hashimoto beginnt meist schleichend und bleibt anfangs oft unbemerkt. Die Beschwerden entwickeln sich langsam über Monate oder Jahre hinweg.
Anfangs kann es sogar zu einer vorübergehenden Schilddrüsenüberfunktion kommen, wenn entzündetes Gewebe gespeicherte Hormone freisetzt – mit Symptomen wie Herzrasen oder Nervosität. Später geht die Erkrankung jedoch in eine Unterfunktion über.
- Anhaltende Müdigkeit und Erschöpfung
- Kälteempfindlichkeit
- Gewichtszunahme trotz unveränderter Ernährung
- Verlangsamter Herzschlag
- Verstopfung
- Depressive Verstimmungen und Stimmungsschwankungen
- Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit („Brain Fog“)
- Trockene Haut und sprödes Haar
- Haarausfall
- Heisere Stimme
- Menstruationsstörungen oder unerfüllter Kinderwunsch
In einigen Fällen kann es zur Ausbildung eines Kropfes (Struma) kommen. Die Schilddrüse fühlt sich dann geschwollen an oder ist als Knoten am Hals sichtbar.
Eine Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen der Menge an Schilddrüsen-Antikörpern und den Beschwerden der Patienten. Dabei wurde festgestellt, dass höhere Werte von Thyreoglobulin-Antikörpern mit stärkeren Symptomen wie Haarausfall, Schwellungen im Gesicht und heiserer Stimme verbunden sind.
Wann ist ärzliche Hilfe erforderlich?
Die Symptome von Hashimoto sind häufig unspezifisch und können leicht mit anderen Erkrankungen verwechselt werden – etwa mit Eisenmangel, Depressionen oder chronischem Erschöpfungssyndrom.
- Sie sich trotz ausreichend Schlaf ständig müde fühlen.
- Sie unerklärlich an Gewicht zunehmen.
- Ihre Stimmung schwankt oder depressive Phasen auftreten.
- Kälteempfindlichkeit oder Haarausfall plötzlich zunehmen.
- Unregelmäßige Zyklen oder Fruchtbarkeitsprobleme auftreten.
Eine frühzeitige Diagnose verhindert Komplikationen und ermöglicht eine wirksame Therapie.
Wie wird Hashimoto diagnostiziert?
Die Diagnose von Hashimoto erfolgt in mehreren Schritten:
Blutuntersuchungen
- TSH-Wert: Erhöht bei Schilddrüsenunterfunktion.
- fT3 und fT4: Die freien Schilddrüsenhormone sind oft erniedrigt.
- Antikörpernachweis:
- TPO-Antikörper (Thyreoperoxidase-AK): In über 90 % der Fälle erhöht.
- TG-Antikörper (Thyreoglobulin-AK): Ebenfalls häufig nachweisbar.
Ultraschalluntersuchung
Die Schilddrüse wird per Sonographie untersucht. Typische Hinweise auf Hashimoto sind:
- Verkleinerte Schilddrüse
- Echoarme, unregelmäßige Gewebestrukturen
- Eventuelle Bildung von Knoten
MRT-Untersuchung
In speziellen Fällen kommt die Magnetresonanztomographie (MRT) zum Einsatz – insbesondere wenn:
- die Schilddrüse stark vergrößert ist (Struma)
- unklare Knoten oder Raumforderungen vorliegen
- entzündliche Prozesse besser dargestellt werden sollen
Vorteil der MRT: Sie ermöglicht eine präzise Beurteilung des Schilddrüsengewebes und umliegender Strukturen – und das ohne Strahlenbelastung.
Welche Behandlungsmethoden gibt es bei Hashimoto?
Hashimoto selbst ist nicht heilbar, aber die Symptome lassen sich gut kontrollieren. Ziel der Therapie ist es, den Hormonhaushalt zu normalisieren.
Hormonersetztherapie
- Der Standard ist die lebenslange Einnahme von Levothyroxin (L-Thyroxin), einem künstlichen Schilddrüsenhormon.
- Die Dosierung wird individuell angepasst – je nach Körpergewicht, Alter und Ausmaß der Unterfunktion.
- Regelmäßige Blutuntersuchungen sind wichtig, um die richtige Dosis zu finden.
Ergänzende Maßnahmen
- Selenpräparate können die Entzündung mildern und die Antikörperproduktion reduzieren.
- Jodarme Ernährung: Zu viel Jod kann die Autoimmunreaktion verstärken.
- Stressmanagement: Yoga, Meditation oder autogenes Training unterstützen das Immunsystem.
- Gesunde Ernährung: Eine ballaststoffreiche, entzündungshemmende Kost kann den Verlauf positiv beeinflussen.
Eine Studie zeigte, dass bei Menschen mit Hashimoto-Thyreoiditis eine Behandlung mit L-Thyroxin nicht nur den Hormonspiegel stabilisiert, sondern auch die überschießenden Immunreaktionen im Körper verringert. Insbesondere wurden nach der Therapie niedrigere Werte von bestimmten Entzündungsstoffen (z. B. IL-12) im Blut gemessen.
Hausmittel: Was kann man zu Hause bei Hashimoto tun?
Obwohl Medikamente meist notwendig sind, gibt es ergänzende Maßnahmen, die Betroffene zu Hause ergreifen können:
- Entzündungshemmende Ernährung: Viel Obst, Gemüse, Omega-3-Fettsäuren (z.B. aus Fisch oder Leinsamen).
- Vermeidung von stark verarbeiteten Lebensmitteln und Transfetten.
- Regelmäßige Bewegung: Moderate Aktivitäten wie Schwimmen, Yoga oder Spaziergänge unterstützen den Stoffwechsel.
- Stressreduktion: Atemtechniken, Meditation oder Achtsamkeitsübungen helfen, das Immunsystem zu stabilisieren.
Welche Prognose und mögliche Folgen bestehen bei Hashimoto?
Mit der richtigen Behandlung ist die Prognose sehr gut. Betroffene können meist ein völlig normales Leben führen.
- Kropfbildung (Struma) durch anhaltenden Entzündungsreiz
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch erhöhte Blutfettwerte
- Depressionen oder kognitive Einschränkungen („Brain Fog“)
- Fruchtbarkeitsstörungen oder Komplikationen in der Schwangerschaft
Regelmäßige Kontrollen beim Arzt sind daher essenziell, um Risiken frühzeitig zu erkennen.
In einer Studie wurde herausgefunden, dass Menschen mit Hashimoto-Thyreoiditis ein erhöhtes Risiko für papillären Schilddrüsenkrebs haben. Besonders erhöhte TSH-Werte scheinen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für diesen Krebs in Verbindung zu stehen. Die Behandlung mit L-Thyroxin senkt den TSH-Spiegel und kann das Risiko für Schilddrüsenkrebs verringern.
Quellen
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- Johns Hopkins Medicine. Hashimoto’s Thyroiditis. Verfügbar unter: https://www.hopkinsmedicine.org/health/conditions-and-diseases/hashimotos-thyroiditis#:~:text=Hashimoto%20thyroiditis%20is%20an%20autoimmune,can’t%20work%20as%20well.
- Cleveland Clinic. Hashimoto’s Disease. Verfügbar unter: https://my.clevelandclinic.org/health/diseases/17665-hashimotos-disease.
- National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases. Hashimoto’s Disease. Verfügbar unter: https://www.niddk.nih.gov/health-information/endocrine-diseases/hashimotos-disease.
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