Spinalkanalstenose: Ursachen, Symptome und moderne Behandlungsansätze

Im Laufe des Lebens kommt es bei vielen Menschen zu Veränderungen an der Wirbelsäule, die zu einer Einengung des Spinalkanals führen können. Diese Verengung, bekannt als Spinalkanalstenose „spinale Stenose“ oder „lumbar spinal stenosis“, kann zu Schmerzen und anderen Symptomen führen, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können.

Auf einen Blick

  • Epidemiologie: Häufigkeitsgipfel im 60.–70. Lebensjahr in Deutschland.
    Ätiologie: Einengung durch Spondylophyten, Arthrose, Bandscheibendegeneration.
  • Symptome: Belastungsabhängige Kreuzschmerzen, Claudicatio intermittens spinalis, Besserung in gebeugter Haltung.
  • Diagnostik: MRT als Methode der Wahl, CT-Myelografie, konventionelles Röntgen, Anamnese, Oswestry Disability Index, Analogue Pain Scale
  • Differenzialdiagnosen: pAVK, Aortenaneurysma, Tumoren, Bandscheibenprolaps
  • Therapie: Physiotherapie, Medikamente, Epidural Steroid Injection, operative Eingriffe bei anhaltenden Beschwerden

Spinalkanalstenose

Wie viele sind von der Spinalkanalstenose betroffen?

Die „spinale Stenose“ ist eine häufige Erkrankung, insbesondere bei älteren Menschen. In Deutschland erreicht die Häufigkeit dieser Erkrankung ihren Höhepunkt im Alter zwischen 60 und 70 Jahren. Dabei sind in der Regel mehr Männer als Frauen betroffen.  Es wird geschätzt, dass ein erheblicher Anteil der Bevölkerung in diesem Altersbereich Symptome zeigt, die mit einer Spinalkanalstenose in Zusammenhang stehen könnten. Laut der Mayo Clinic sind etwa 10% der Menschen über 60 Jahre von dieser Erkrankung betroffen. Diese Zahl steigt mit zunehmendem Alter. Die Cleveland Clinic gibt an, dass bis zu 500.000 Amerikaner Symptome einer Spinalkanalstenose haben könnten.

Wie entwickelt sich eine Spinalkanalstenose?

Die Hauptursachen für die Entwicklung einer Spinalkanalstenose sind degenerative Veränderungen der Wirbelsäule. Dabei handelt es sich häufig um sekundäre (erworbene) Begebenheiten, wie:

  • Spondylophyten: Dies sind knöcherne Auswüchse, die sich an den Wirbeln bilden.
  • Arthrose der Facettengelenke: Dies bezieht sich auf den Verschleiß der kleinen Gelenke an der Rückseite der Wirbelsäule.
  • Degeneration der Bandscheibe: Hierbei verliert die Bandscheibe an Höhe und kann Druck auf den Spinalkanal ausüben.
  • Pseudospondylolisthesis: Hierbei verschiebt sich ein Wirbel über den darunter liegenden Wirbel.

Die relative Enge im Spinalkanal kann auch primär, also anlagebedingt, durch anatomische Begebenheiten entstehen.

Die Beschwerden der Patienten entstehen aufgrund der Schädigung der Spinalnervwurzeln und gegebenenfalls des Rückenmarks durch langanhaltene Mikrotraumatisierungen.

Was sind die Symptome einer Spinalkanalstenose?

Die Symptome der „spinalen Stenose“ können variieren, je nachdem, welcher Teil der Wirbelsäule betroffen ist.
Bei einer Stenose der Lendenwirbelsäule (LWS) sind die häufigsten Symptome:

  • Belastungsabhängige Kreuzschmerzen, die plötzlich in die Beine ausstrahlen können.
  • Ein Gefühl der Taubheit oder Schwäche in den Beinen.
  • Claudicatio intermittens spinalis, bei der es zu Schmerzen kommt, die den Patienten zwingen, stehen zu bleiben. Es kommt zu Parästhesien/Hypästhesien, Schmerzen (Lumboischialgie) und im Verlauf auch zu intermittierenden Paresen der Beine.
  • Eine gebeugte Haltung kann zu einer Besserung der Symptome führen, während das Strecken der Wirbelsäule sie verschlimmern kann.

Die Schmerzen einer Lumbalkanalstenose werden meist seit Jahren beim Gehen verstärkt und sind beim Stehen vorhandeln. Beim Sitzen und Liegen äußert sich das Schmerzbefinden meist gar nicht oder nur wenig. So berichten die Patienten häufig von Schmerzen beim Vorbeugen, Sitzen, Radfahren oder beim Bergaufgehen, wohingegen sich die Schmerzen beim Bergabgehen verschlimmern.

Bei einer Zervikalkanalstenose sind die Halswirbel betroffen. Hierbei kommt es zu Nackenschmerzen. Auch kann es zu Störungen der Motorik und Sensibilität kommen, sodass die Patienten manchmal an Störungen der Blasen- und/oder Mastdarmfunktion leiden.

Wie wird die Spinalkanalstenose diagnostiziert?

Die Diagnose einer Spinalkanalstenose basiert bildgebende Verfahren. Die Magnetresonanztomographie (MRT der Wirbelsäule) ist die Methode der Wahl, da sie detaillierte Bilder des Spinalkanals und der umgebenden Strukturen liefert. Andere diagnostische Verfahren kann die CT-Myelografie oder das konventionelle Röntgen sein. Bei der CT-Myelografie wird ein Kontrastmittel in den Spinalkanal injiziert, gefolgt von einer Computertomographie (CT). Konventionelles Röntgen kann nützlich sein, um knöcherne Veränderungen zu identifizieren, doch sie hat jedoch eine begrenzte Aussagekraft bei der Diagnose einer Spinalkanalstenose.

Spinalkanalstenose

Bei der klinischen Diagnose ist das Erheben der Schmerzen und sensibler als auch motorischer Ausfälle sehr wichtig. Auch müssen Blasen-Mastdarm-Störungen erfragt werden. Häufig kommt es zu einer Abschwächung der Muskeleigenreflexe

MIthilfe der „analogue pain scale“ kann der Arzt die Schmerzen der Patienten einordnen, um die bestmögliche Therapie zu ermöglichen. Hierbei wird die subjektive Einstellung des Patienten mithilfe einer Skala von 0 bis 10 quantifiziert. Dabei sagt die Zahl 0 „keine Schmerzen“ und die 10 die „stärksten vorstellbaren Schmerzen“ aus.

Mithilfe des Oswestry Disability Index können die Ärzte den Grad der Behinderung und der Lebensqualität bei Patienten mit Erkrankungen der unteren Lendenwirbelsäule messen. Der ODI besteht aus zehn Abschnitten, die verschiedene Aktivitäten des täglichen Lebens abdecken, darunter das Heben von Gegenständen, das Gehen, das Sitzen, das Stehen, das Schlafen und soziale Aktivitäten. Jeder Abschnitt wird auf einer Skala von 0 bis 5 bewertet, wobei höhere Werte eine größere Behinderung anzeigen. Die Gesamtpunktzahl wird dann in einen Prozentsatz umgerechnet, wobei ein höherer Prozentsatz eine größere Behinderung anzeigt. Der Oswestry Disability Index wird häufig in klinischen und Forschungseinstellungen verwendet, um den Fortschritt von Patienten über die Zeit zu verfolgen und die Wirksamkeit von Behandlungen zu bewerten.

Was sind Differenzialdiagnosen?

Es gibt mehrere Erkrankungen, die ähnliche Symptome wie die Spinalkanalstenose verursachen können. Dazu gehören:

  • Vaskuläre Ursachen: Wie die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) oder ein Aortenaneurysma.
  • Raumfordernde Prozesse: Wie Tumore oder ein Bandscheibenprolaps.
  • Pseudoradikuläre Syndrome: Diese verursachen Schmerzen, die entlang eines Nervenpfades ausstrahlen, haben aber keine neurologische Ursache.
  • „Ischiassyndrom“: durch Reizung des Nervus ischiadicus, wobei die Bildgebung unauffällig ist
  • „Buttock-Claudicatio“: Ischämie der Cauda equina durch Stenose der A. Iliaca oder ihrer Äste durch Belastung

Wie kann eine Spinalkanalstenose therapiert werden?

Die Behandlung der Spinalkanalstenose hängt von der Schwere der Symptome und der zugrunde liegenden Ursache ab.

Konservative Therapieansätze umfassen sowohl Physiotherapie als auch medikamentöse Behandlungen. In der Physiotherapie kommen spezielle Übungen und Techniken zum Einsatz, die darauf abzielen, Schmerzen zu mindern und die Beweglichkeit zu fördern.
Medikamentös können Schmerzmittel und entzündungshemmende Präparate eingesetzt werden, um die Beschwerden zu lindern. Steroidinjektionen (epidural steroid injection) können in dem Spinalkanal Entzündungen minimieren und so für eine Schmerzlinderung sorgen. Weitere konservative Maßnahmen sind Wärme- und Kältetherapie sowie das Tragen von Orthesen. Nichtsteroidale Analgetika (NSAR) und Medikamente gegen neuropathische Schmerzen sind ebenfalls bewährte Methoden. Bei intensiven Schmerzen können Opioide und gegebenenfalls Glucocorticoide verabreicht werden. Bei Therapieresistenz sind kaudale epidurale Injektionen von Lokalanästhetika und Glukokortikoiden eine Option.

Wenn konservative Therapiemaßnahmen versagen, insbesondere bei unkontrollierbaren, lähmenden Schmerzen, signifikanten Lähmungserscheinungen oder Störungen des Blasen- und Mastdarmbereichs, kann ein chirurgischer Eingriff in Erwägung gezogen werden. Dies gilt insbesondere bei Schmerzsyndromen, die anatomisch genau zu einer Radikulopathie passen. Zu den chirurgischen Optionen gehört eine rückseitige Dekompression, die die Facettengelenke schont. Bei Anzeichen von Instabilität kann eine zusätzliche operative Stabilisierung notwendig sein. Nach der Operation ist eine physiotherapeutische Rehabilitation empfehlenswert.

SPORT (Spine Patient Outcomes Research Trial) war eine groß angelegte Studie in den USA, die konservative gegen operative Behandlungen bei Patienten mit Spinalkanalstenose verglich. Die Ergebnisse zeigten, dass Patienten, die sich einer Operation unterzogen, tendenziell bessere Ergebnisse in Bezug auf Schmerzlinderung und Funktion hatten als diejenigen, die konservativ behandelt wurden.

Es gibt auch Forschungen, die den Nutzen von Physiotherapien und spezifischen Übungsprogrammen bei der Behandlung von Spinalkanalstenose untersuchen. Viele dieser Studien zeigen, dass gezielte Übungen helfen können, Schmerzen zu lindern und die Funktion zu verbessern. Andere Studien sagen wiederum, dass es nur eine begrenzte Evidenz für die Wirksamkeit von Physiotherapie und anderen nicht-operativen Behandlungen gibt. Daher sei es nötig, das aktuelle Geschehen und weitere hochwertige Studien zu erheben

Es gibt mehrere Studien, die die Wirksamkeit und Sicherheit von epiduralen Steroidinjektionen („epidural steroid injection“ bei der Behandlung Spinalkanalstenose untersuchen. Die Ergebnisse sind gemischt, wobei einige Studien Vorteile zeigen, während andere wenig bis keinen Nutzen feststellen.

Was sind Folgen einer Spinalkanalstenose?

Ohne Behandlung kann die Spinalkanalstenos (lumbar spinal stenosis) zu anhaltenden Schmerzen, Taubheitsgefühl und Schwäche in den betroffenen Extremitäten führen. In schweren Fällen kann es zu einer dauerhaften Schädigung der Nerven kommen, die zu chronischen Schmerzen und Funktionsstörungen führen kann. Bei einem Großteil der Betroffenen kommt es jedoch inenrhalb von wenigen Jahren zu einer Besserung der Beschwerden.

Quellen

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